Sachverständige mahnen: Ohne Kohleausstieg scheitert deutsche Klimapolitik

Deutschland hat gewählt. Die deutsche Klimapolitik spielte dabei keine Rolle. Nun holt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) das unbequeme Thema zurück auf die Tagesordnung. Ohne sofortigen Beschluss der neuen Bundesregierung, den Kohleausstieg einzuleiten, scheitert die Umsetzung der Pariser Klimaziele in Deutschland.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) mahnt den Ausstieg aus der Energieerzeugung mit Kohle an. Bis 2020 soll danach etwa die Hälfte der im Moment noch produzierenden Braunkohle-Kraftwerke geschlossen werden und das letzte Kohlekraftwerk Mitte der 2030er Jahre vom Netz gehen. Die bevorstehende Legislaturperiode biete „die letzte Chance, die Weichen für eine angemessene Umsetzung der Pariser Klimaziele in Deutschland zu stellen“, mahnt das offizielle Beratungsgremium der Bundesregierung in Umweltfragen an. Das SRU-Mitglied, Professorin Claudia Kemfert vom DIW, meint: „Deutschland muss die Stromerzeugung aus Kohle schnellstens reduzieren und mittelfristig beenden, sonst sind die Klimaziele in Deutschland nicht zu erreichen.“

Der SRU schlägt einen Ausstieg in drei Phasen vor: Bis 2020 sollen die emissionsintensivsten, vor 1990 gebauten Kraftwerke vom Netz gehen. Die moderneren Anlagen würden nach dem Konzept dann bis etwa 2030 mit verminderter Auslastung weiterlaufen, um die Versorgungssicherheit zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. In den 2030er Jahren sollen dann auch diese Kraftwerke stillgelegt werden. Hierfür müsse die Bundesregierung jetzt den Rahmen festlegen, so der SRU.

SRU setzt auf flexible Mechanismen zur Erreichung des Kohleausstiegs

Anstelle eines fixen Enddatums für den Kohleausstieg befürworten die Experten ein Budget der Gesamtmenge an Treibhausgasen, die durch Kohlekraftwerke bis zur endgültigen Abschaltung noch ausgestoßen werden – nämlich rund zwei Milliarden Tonnen CO2. Diese Menge solle gesetzlich festgeschrieben werden. Sie würde von den heute noch aktiven Kohlemeilern in zehn Jahren emittiert, wenn sie wie bisher weiterbetrieben würden. Vorteil des Budget-Ansatzes wäre, dass die Stromkonzerne sich darüber verständigen können, welche Anlagen das restliche CO2-Budget aufbrauchen sollen. Mit Blick auf die anstehenden Koalitionssondierungen bietet eine Jamaika Koalition die große Chance, dass durch die Grünen ein Kohleausstieg eingeleitet wird.

Keine nachhaltige Elektromobilität ohne Kohleausstieg

Als Vorteile eines schnellen Kohleausstiegs sieht der SRU, dass „große Emissionsreduktionen zu relativ geringen Kosten erreicht werden“. Hinzu kämen „erhebliche positive Wirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit, vor allem, weil die Emissionen von Quecksilber, Stickstoffoxiden und Feinstäuben reduziert würden“.

Die Planung des Kohleaussteiges tut Not. Die Bestrebungen, die Elektromobilität zu fördern, laufen umweltpolitisch sonst ins Leere: Momentan steuert Kohle immer noch 40 Prozent zum Strommix bei – Steinkohle 17 Prozent und Braunkohle 23 Prozent. Laut einer jüngst vorgelegten Studie des Thinktanks Agora Energiewende wird Deutschland das 2007 formulierte Ziel deutlich verfehlen, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern. Ohne zusätzliche Maßnahmen würden voraussichtlich nur rund 30 Prozent erreicht, hieß es darin.

Neue Bundesregierung wird aufgefordert zu handeln

Die Klima- und insbesondere die Kohlepolitik sind einer der großen Knackpunkte bei möglichen Verhandlungen für ein solches Bündnis von CDU/CSU, FDP und Grünen. Die Ökopartei fordert einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 und eine schnelle Abschaltung der 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke. Union und Liberale wollen die Kohle erst deutlich später auslaufen lassen, haben sich aber klar zur Umsetzung des Paris-Vertrags bekannt.

Auch international steht der Kohleausstieg auf tönernen Füssen

Während in Deutschland über den Kohleausstieg diskutiert wird, wird weltweit der Bestand an Kohlekraftwerken weiter anwachsen. Rund 2.500 Kohlekraftwerke werden derzeit gebaut oder geplant. Laut Gutachten der Global Warming Policy Foundation liegt China mit 368 im Bau befindlichen und 803 geplanten Kohlekraftwerken einsam an der Spitze der Umweltsünder. Auch Indien setzt weiterhin auf den massiven Ausbau der Kohleverstromung. Versorgungssicherheit hat für die aufstrebenden, energiehungrigen  Volkswirtschaften Vorrang vor Umweltschutz.

Aber auch die hochentwickelten Industrieländer bieten Anlass zur Sorge.  So hat  in den USA hat das amerikanische Bundesumweltamt EPA (Environment Protection Agency) erste juristische Schritte unternommen, die Klimapolitik des letzten Präsidenten Barack Obama rückgängig zu machen. Die Initiative zielt auf den „Plan für saubere Energie“ (Clean Power Plan), der amerikanischen Stromerzeugern auferlegt, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Obamas „Clean Power Plan“ legt den Bundesstaaten auf, Emissionen ihrer Kraftwerke bis 2030 um 32 Prozent gegenüber dem Emissionsniveau von 2005 zu verringern. Nach Angaben der „New York Times“, die sich auf ein internes Dokument beruft, will die Umweltbehörde die Öffentlichkeit auffordern, andere Pläne zu präsentieren, um die Emissionen zu senken.

Weitere Informationen zum weltweiten Ausbau der Kohleverstromung: https://www.thetimes.co.uk/article/2500-new-coal-plants-will-thwart-any-paris-pledges-ctx3t7thnf7