Das neue Jahr des Energiewendelandes Deutschland begann 2018 gleich mit einem dicken Geschenk an die Nachbarländer: Wer in Deutschland produzierten Ökostrom bezog, erhielt oben drauf noch Geld vom deutschen Steuerzahler. Grund ist die fehlende Sektorkoppelung.
Negative Preise nennt man das Phänomen, wenn Strom zum Preis kleiner Null verkauft wird und am Neujahrstag waren es laut einem Bericht des Handelsblatt zufolge in der Spitze 76 Euro je Megawattstunde, die den Abnehmern im Ausland geschenkt wurden. Seit Jahren zeigt sich eine Fehlkonstruktion der Energiewendepolitik immer deutlicher: 2008 trat das Phänomen bei 15 Stunden im Jahr auf, 2017 waren es laut Bundesnetzagentur bereits 146 Stunden. Die Kosten dafür tragen zu einem erheblichen Teil die deutschen Stromverbraucher.
Das Problem: Eine fehlende Sektokoppelung.
Erzeugung von Energie und Verbrauch erfolgen in unterschiedlichen Silos, die voneinander getrennt sind. Strommarkt, Wärmemarkt und Verkehrsmarkt sind voneinander abgeschottet. Die Energiewende ist bislang vor allem eine Stromwende, und diese läuft besser als gedacht: Neue Wind- und Solarkraftwerke produzieren immer mehr Strom. Die in Ausschreibungen erreichten Vergütungen zeigen deutliche Kostenrückgänge. Bei der Windenergie auf See wollen erste Betreiber auf staatliche Zuschüsse verzichten. Aber immer öfter kann der produzierte Strom in Deutschland nicht abgenommen werden und muss exportiert werden, wenn Herstellung und Verbrauch nicht einhergehen und Stromspeichertechnologien fehlen.
Ohne Sektorkoppelung kein Erfolg in der Energiewende
Damit die Energiewende gelingt, müssen die Strom- und Wärmeerzeugung sowie der Verkehrssektor miteinander verzahnt werden. Dazu bekennt sich die Politik jeden Tag. Doch die bestehenden Gesetze bremsen die Sektorkopplung aus.
Denn der Stromsektor macht nur knapp 40 Prozent des Energieverbrauchs aus, Wärme (35 Prozent) und Verkehr (26 Prozent) liegen gemeinsam deutlich vorn. Doch jetzt kommt es darauf an, fossile Energieträger auch in den Bereichen Wärme, Kälte und Verkehr Schritt für Schritt durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Und hier zeigt sich: Der gesetzliche Apparat ist historisch darauf ausgerichtet, diese Bereiche zu trennen, statt sie zu verbinden. Verkehr und Wäremmarkt hinken bei der Energiewende seit Jahren hinterher.
Gesetzgeber hat unsinnige Barrieren für die Sektorkoppelung geschaffen
Beispiel Power-to-Gas: Das Verfahren ist technisch weitgehend ausentwickelt: Strom wird mit Hilfe eines Elektrolyseurs in Wasserstoff umgewandelt und anschließend mit CO2 angereichert – Methan entsteht. Dieses Methan lässt sich direkt für die Wärmeerzeugung nutzen, als Kraftstoff in Fahrzeugen einsetzen oder im mehr als 530.000 Kilometer langen deutschen Erdgasnetz speichern. Überschüssiger Wind- und Solarstrom ist geradezu prädestiniert dafür, auf diese Weise umgewandelt, gespeichert und genutzt werden. Die Anwendungsmöglichkeiten wären in der Wärme- oder Kälteversorgung, im Antrieb von Elektrofahrzeuge oder Wasserstoff-Fahrzeugen reichlich gegeben.
Power-to-Gas hätte viel Potenzial
Power-to-Gas könnte verstärkt dazu beitragen, Überschussstrom sinnvoll zu nutzen. Die Erzeugung könnte vor Ort geschehen, die vorhandenen Windräder und Solaranlagen müssten nicht abschaltet werden, um das Stromnetz zu entlasten. Allein in Schleswig-Holstein wurden 2015 knapp drei Millionen Megawattstunden oder der Strombedarf von einer Million Haushalten vernichtet.
Doch Power-to-Gas Verfahren können in Deutschland anders als im Ausland kaum wirtschaftlich betrieben werden. Schuld ist der Gesetzgeber: Allen Lippenbekenntnissen zum trotz sieht Paragraph 27a des EEG 2017 ein „Eigenversorgungsverbot“ für Wind- und Solaranlagen vor, die an der Ausschreibung teilgenommen haben. Strom aus diesen Anlagen darf also nicht für eigene Power-to-Gas-Projekte des Betreibers eingesetzt werden. Zwar sind gerade bei Netzengpässen oder in Zeiten negativer Strompreise Ausnahmen zulässig, allerdings unter sehr engen Voraussetzungen. Wer jedoch auch nur einen marginalen Stromeigenverbrauch in einer Power-to-Gas-Anlage hat, für den fällt die EEG-Förderung für das gesamte Kalenderjahr aus. Dies birgt erhebliche Rechtsunsicherheit für die Betreiber und steht der Verzahnung der Energiesektoren entgegen. Sicher sein kann nur der Solar- oder Windradbetreiber, der ganz aus der Einspeisevergütung aussteigt.
Dank diverser Umlagen keine Wirtschaftlichkeit
Selbst wer alle rechtlichen Hürden umschifft hat, hat keinen Grund zur Freude: Dank Stromsteuer, Umsatzsteuer, EEG-Umlage und andere Preisbestandteile, die auf die Stromgestehungskosten aufgeschlagen werden rechnet sich die Nutzung von Strom für Wärme oder als Treibstoff nicht mehr. Soll die Energiewende nicht zum Misserfolg werden, muss der Gesetzgeber – sollte die Regierungsbildung in 2018 endlich zügig voran kommen – die Gesetzlichen Rahmenbedingungen dringend nachbessern und die vielgelobte Sektorkoppelung endlich auf den Weg bringen.